Wie lernen Hunde?

on

Wie lernen Hunde?

Der Behaviorismus (engl. Behavior = Verhalten) war zwischen 1920 und 1960 in den USA die führende Forschungsrichtung innerhalb der Psychologie. Als ihr einflussreichster Vertreter gilt B.F. Skinner, der in Experimenten das Lernverhalten verschiedener Tierarten in Abhängigkeit von der Verstärkung untersuchte, die das Tier für sein Verhalten erhielt. Die Tiere wurden z.B. in einem „Problemkäfig“ (Skinner Box) dazu gebracht, einen Hebel zu drücken oder auf eine Scheibe zu picken um etwas für sie Wertvolles (wie Futter) zu erhalten oder einem Schmerzreiz zu entgehen.
Begriffe wie z.B. „operante Konditionierung“, „primärer Verstärker“ oder „positive und negative Strafe“, die heute in (fast) jedem Buch über Hundeerziehung zu finden sind, stammen alle aus der psychologischen Forschung dieser Zeit. Die damals gewonnenen Erkenntnisse helfen uns dabei, das Verhalten von Hunden zu verstehen und zu beeinflussen. Das Clickertraining ist die wohl beste Möglichkeit operante Konditionierung auf den Lernprozess anzuwenden – und das mit vielen positiven Nebenwirkungen!
Die Behavioristen sahen das Gehirn des Menschen als eine Art „Black Box“, in die man am einen Ende Daten hineinfüttert und am anderen Ende Ergebnisse heraus bekommt. Die internen Vorgänge im Gehirn interessierten sie nicht, sie hielten das innere Erleben für wissenschaftlich belanglos. Heute weiß man, dass der Fehler dieser Denkrichtung in einem zu vereinfachten Verständnis der Lernvorgänge lag und z.B. der Einfluss persönlicher Faktoren völlig vernachlässigt wurde.

Trotzdem: So lernen Hunde!
Vereinfacht kann man sagen: Die Konsequenzen die einem Verhalten folgen, bestimmen seine Auftretenswahrscheinlichkeit in der Zukunft. Ist die Konsequenz für ein Verhalten positiv, wird das Verhalten wahrscheinlich erneut gezeigt werden, nach einer negativen Konsequenz sinkt seine Auftretenswahrscheinlichkeit.
Bis dahin ist das Ganze einleuchtend und „Erziehung“ scheint gar nicht mehr so schwer: müssen wir also einfach nur den Hund belohnen, wenn er etwas richtig macht und ihn bestrafen, wenn er sich unangemessen verhält??

* Belohnung
Eine Belohnung kann alles ein, was der Hund toll findet, also z.B. etwas Fressbares, ein Spielzeug oder gemeinsames Spiel, Aufmerksamkeit, zu einem anderen Hund hinlaufen dürfen etc., der Hund kann also „Sachen/Ressourcen“ und „Verhaltensweisen“ als belohnend empfinden. Viele Verhaltensweisen, die vom Besitzer eher unerwünscht sind wirken beim Hund „selbstbelohnend“, wie z.B. durch die beim Jagdverhalten im Gehirn freigesetzte Botenstoffe, die den jagenden Hund in einen euphorischen Zustand versetzten.
Unser Vorteil gegenüber dem Hund liegt darin, dass wir als Mensch den Zugang zu den meisten Belohnungen kontrollieren und sie dementsprechend gezielt einsetzten können.

* Strafe
Während man Belohnungen ohne Risiko einsetzten kann, sind Strafen mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. So wie sie von vielen Hundebesitzern (unbewusst) eingesetzt wird, funktioniert Strafe „rein technisch“ nicht als Erziehungshilfe. Zum einen gewöhnt sich der Hund an die Strafe, d.h. man muss bei jedem Fehlverhalten immer härter bestrafen um noch einen „Eindruck“ zu hinterlassen, zum anderen lernt der Hund durch Strafe nicht, wie er sich richtig verhalten soll.
Wenn ihr euren Hund für etwas bestraft, was er – warum auch immer – in euren Augen falsch gemacht hat, kann das eure Beziehung unnötig belasten! Hunde denken nicht moralisch, sie wissen nicht, was richtig und was falsch ist. Eine Strafe kommt für sie meist aus heiterem Himmel (vor allem, da sie genau wie Belohnung nur innerhalb von 0,2 bis 2 Sekunden später noch mit dem Verhalten verknüpft wird) und macht euch für den Hund zu einer unvorhersehbaren Person, das Vertrauen wird erschüttert. Je nach Persönlichkeit des Hundes wird er auf Strafen z.B. mit Unsicherheit, im schlimmsten Fall mit Aggression reagieren. In jedem Fall setzt ihn euer Verhalten unter Stress und jegliche Lernvorgänge werden gehemmt!

Die traditionellen Methoden der Hundeausbildung beruhen meist auf dem Prinzip, dass der Hund lernen soll, ein bestimmtes erwünschtes Verhalten zu zeigen um damit einen unangenehmen Zustand zu vermeiden. So hilft z.B. bei Leineziehen der „Leinenruck“ – theoretisch. Damit Strafe (und nichts anderes ist ein Leinenruck) funktioniert, muss diese bereits beim aller ersten Mal SO STARK sein, dass der Hund völlig fassungslos sich nie wieder traut zu ziehen. Ansonsten tritt ganz schnell eine Gewöhnung auf, man ruckt wieder und wieder und der Hund zieht in 5 Jahren noch. Die physischen Auswirkungen sind klar erkennbar, Hals- und Kehlkopfschäden, Rückenprobleme (je nach Größe des Hundes auch beim Besitzer), die psychischen Auswirkung eines solchen Umgangs mit dem Hund sind meist nicht so offensichtlich.

* Ein guter Trainer…
… belohnt den Hund für richtiges Verhalten und ignoriert „Fehler“. Das Ignorieren an sich ist im Prinzip bereits eine milde Variante von „Strafe“ für euren Hund, denn er bekommt die erwartete Belohnung NICHT. Eurem Hund ein guter Trainer zu sein (d.h. ihm auf effektive und freundliche Weise zu vermitteln, was ihr von ihm erwartet), bedeutet nun, die für den Hund passende, attraktive Belohnung RICHTIG einzusetzen.

Beispiel „Sitz“ lernen: Am Anfang wird ein neu zu lernendes Verhalten IMMER, jedes einzelne Mal, belohnt. Ihr könnt dem Hund z.B. durch Locken mit dem Leckerchen helfen, in die Sitz-Position zu kommen oder mit dem Clicker zufälliges Hinsetzten einfangen. Ein Kommando benutzt ihr erst, wenn der Hund ganz sicher ins Sitz geht, wenn ihr ihm z.B. das Leckerchen über die Nase haltet. Das Bedeutung des Signals „Sitz“ muss dem Hund ja erst vermittelt werden, also sagt ihr das Kommando am besten, WÄHREND er sich hinsetzt. Durch Wiederholung wird im Hundegehirn die Verknüpfung geschaffen: Wort „Sitz“ + Hinsetzten = Leckerchen, dann könnt ihr anfangen, das Kommando vor die Ausführung zu setzten.
Diese Verknüpfung mit dem verbalen Kommando kann ganz leicht „überschattet“ werden von anderen Reizen, z.B. wirken Berührungen viel stärker als Worte. Wenn ihr euren Hund also während des Sitz-Lernens „körperliche Hilfen“ gebt, erschwert und verlangsamt ihr das Erlernen des zugehörigen Kommandos.

Das richtige TIMING der Konsequenz hat ebenfalls einen Einfluss auf den Lernprozess, denn nur wenn innerhalb eines Zeitraums von 0,2 bis 2 Sekunden nach einem Verhalten belohnt wird, verknüpft der Hund diese Belohnung noch mit dem vorhergehenden Verhalten. Perfektes Hilfsmittel, um das Timing zu verbessern ist der Einsatz von „konditionierten Verstärkern“ (z.B. dem Clicker), also Signalen, die eine Belohnung ankündigen und damit die Zeit überbrücken.

Hat der Hund das Kommando mit dem Setzen sicher verknüpft, könnt ihr von der Immerbelohnung zur VARIABLEN Belohnung übergehen. Variabel bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es mal eine Belohnung gibt, mal nicht, der Hund aber nie vorhersehen kann, wann die Belohnung kommt (also nicht immer jedes zweite oder dritte Mal belohnen, das kann sich der Hund ganz schnell ausrechnen). Außerdem muss er das Kommando GENERALISIEREN, d.h. lernen, das „Sitz“ immer Hinsetzten bedeutet, egal ob im Garten, Wohnzimmer oder am Busbahnhof. Hunde lernen Kontextspezifisch, ihr müsst also in ganz verschiedenen Umgebungen mit ihnen üben. In jeder neuen Situation und bei einer neuen/stärkeren Ablenkung sollte die Belohnungsrate und die Qualität der Belohnung wieder erhöht werden.

Was ist sonst noch wichtig?
Wie schon erwähnt, berücksichtigt der Behaviorismus nicht alle Vorgänge, die mit dem Lernen zusammenhängen. Es gibt einen klaren Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren, die z.B. rassebedingt sind, also den genetischen Veranlagungen entsprechen. Auch die ausgelösten Emotionen beeinflussen den Lernprozess des Hundes genau wie den des Menschen, unter Stress stören z.B. die im Gehirn ausgeschütteten Neurotransmitter den Lernprozess. In vielen Bereichen kann man das Lernen des Hundes mit dem eines Kindes vergleichen, allerdings darf man dem Hund dabei nicht menschliche Denkweisen und Moralvorstellungen unterstellen!!

Hunde sind Opportunisten!

Das Verhalten des Hundes wird von relativ einfachen Bedürfnissen gesteuert – die wir beeinflussen können. Sie arbeiten weder mit uns zusammen, weil sie uns so lieb haben noch weil sie uns gefallen wollen. Noch abwegiger sind veraltete Theorien, nach denen der Hund dem Menschen gehorchen soll, weil dieser die „Alphastellung“ innehat.

Hunde sind – unglaublich liebenswerte – Opportunisten, ihnen geht es um den eigenen Vorteil. Ein bestimmtes Verhalten zu zeigen wie sich z.B. auf Kommando Hinzusetzten, bringt entweder den Vorteil eine Belohnung zu erhalten, es bringt ein Lob, das für den Hund mit der Hoffnung auf eine Belohnung verbunden ist oder es bringt den Besitzer zumindest NICHT in eine schlechte Stimmung, in der es nie Belohnungen gibt, im Zweifel sogar eine Strafe folgt.

Wenn wir unserem Hund optimale Lernbedingungen bieten wird er (fast) alles Lernen, so lange es sich nur für ihn lohnt! Optimal bedeutet, ohne Stress und Angst vor Bestrafung die Erfahrungen machen zu dürfen, welches Verhalten besonders erwünscht ist, anstatt „Versuch und Irrtum“ lieber „Versuch und Erfolg“. Spaß, also positive Gefühle die der Hund mit einer Übung verknüpft wirken übrigens bereits an sich belohnend – ein Grund mehr, dem Hund das Lernen so angenehm wie möglich zu machen

© 2005 Madeleine Franck