Beisshemmung bei Welpen

Neben dem am häufigsten abgefragten Thema „Stubenrein“ wird eine weitere Frage mit großer Regelmäßigkeit in fast allen Foren und auch in den Emails, die mich erreichen, gestellt:

„Mein Welpe knurrt und beisst! Was kann ich tun?“

Die Situation ist fast immer folgende: Der Welpe ist „frisch“ im Haushalt angekommen und so ca. acht bis 10 Wochen alt. Man hat also reichlich damit zu tun, sich auf das Zusammenleben mit dem kleine Kerlchen einzustellen, d.h. in den Wachphasen des Welpen schnell genug zu sein, um ihn nach draußen zu befördern, darauf zu achten, dass er nicht ständig Unfug treibt, ihn einzufangen, wenn er doch mal stiften geht usw.usw..

Unser ganzes Leben hat sich verändert. Und wir dann mal ganz entspannt mit IMGP0418dem Zwerg spielen wollen, artet es eher in eine handfeste Rauferei aus, der Kleine knurrt und beißt, was das Zeug hält, und meistens müssen die Hände oder Füße dran glauben. Nach spätestens zwei Tagen solcher Spielattacken sieht man aus, als wenn man keinen Hund, sondern eine kratzende Katze hätte oder chronisch durch einen Rosengarten tollt – ohne Handschuhe und Socken.

Was passiert? Ist unser Welpe etwa aggressiv, was machen wir falsch? Viele Fragen, die auf einen einstürmen, neben den Versuchen, sich der nadelspitzen kleinen Zähnchen zu erwehren.

Spricht man dann mit erfahrenen Hundebesitzern, fällt immer wieder der Begriff „Beißhemmung“! Aber was soll das genau sein, und wie entsteht sie. Diesen Komplex werde ich versuchen, recht detailliert abzuhandeln, damit man nicht nur die nötigen Maßnahmen ergreifen kann, sondern auch versteht, worum es dem Hund eigentlich geht.

Angeboren oder erlernt?

Wir stellen uns ein Rudel vor, welches in einem eigenen, autarken Verbund lebt, denn hier findet die sog. Beisshemmung im wesentlichen ihren Ursprung. Eine Beisshemmung unter Rudelmitgliedern sichert folgendes ab: Sie vermindert Verletzungsrisiken sichert in einem gewissen Maße die Gesundheit der einzelnen Sozialpartner bzw. Rudelmitglieder. So bleibt im Umkehrschluss die Jagdtauglichkeit und Funktonalität der Gruppe erhalten, was dem einzelnen Hund und letztlich der Gemeinschaft zu Gute kommt.

Was bedeutet das für rudelfremde Tiere?

Diese Beißhemmung schließt allerdings keine rudelfremden Tiere ein.

In einer territorialen Verteidigungsaggression wird oft ungehemmt und ohne Rücksicht auf Angriffs- bzw. Unterordnungsgesten des Gegners gebissen.

Gerade dieser Fakt verstärkt den Eindruck einer zielorientieren Beißhemmung. Rudelfremde Tiere, die dem eigenen Überleben anders als Sozialpartner durch die gemeinsame Jagd keinen Vorteil verschaffen, werden trotz eventueller, wenn auch seltener, Unterwerfungsgesten kaum geschont.

Wie aber kommt diese gehemmte Aggression zustande?

Barbara Schöning beschreibt in ihrem Buch „Hundeverhalten“ sehr präzise, dass das Attackieren und die Drohgebärde in den Bereich der Aggression fallen und eine der wichtigsten Lernerfahrungen in der Sozialisationsphase der adäquate Umgang mit derselben ist. Zu beobachten ist dieses Raufverhalten ab ca. der vierten bis fünften welpenstundeLebenswoche. Die Kleine raufen, quieken und liegen zwei Minuten später wieder einträchtig und ganz müde zusammen. So lehren schon Welpen untereinander einander die soziale Beißhemmung. Wird ein Spiel zu wild und wird von einem Partner zu schmerzhaft zugebissen, folgt nach einem oft recht lauten Schmerzensschrei meist eine heftigere Attacke des Spielpartners. Diese muss bei relativ gleichem Schmerzempfinden der beiden Spielpartner dementsprechende Schmerzen bei dem erstmals heftig zubeißenden Welpen auslösen. Der Prozess der „Gegenattacke“ spielt sich unter Wurfgeschwistern meist vor der 4.Woche ab, so dass nach dieser Zeit in erläuterten Situationen meist nur noch ein Abbruch des Spiels zu beobachten ist. Eine weitaus größere Rolle spielt hierbei jedoch die relativ kurze Zeit, welche die Welpen mit dem (Vater-) Rüden verbringen. Dieser sorgt nicht unwesentlich für eine Achtung und Vorsicht bei den Welpen im Umgang mit ihren recht spitzen Zähnchen.

Erfahrene Assoziationen

Der von Lorenz genannte Auslöser, wie z.B. ein Schmerzensschrei weckt in Wirklichkeit bei den Welpen kein zwanghaftes oder sich umkehrendes Verhalten, sondern eher die schmerzliche eigene Erfahrung. Um Selbstschädigung vorzubeugen tritt so die so genannte „Beißhemmung“ ein. Doch diese bei Welpen so große Bedeutung zugemessene Hemmung ist nichts weiter, als eine Vorbereitung auf die spätere soziale Beißhemmung, die das Rudel vital erhält – nicht mehr, aber auch nicht weniger, denn, wir als Menschen werden ja als spätere „Sozialpartner“ agieren.

Vor allem aber schützt sie die beiden jeweils interagierenden Kommunikationspartner unbewusst. Da Konfrontationen innerhalb eines noch intakten Rudels (unsere Haushunde damit ausgeschlossen) meist leichte Unstimmigkeiten in Privilegien, Dominanzverhältnissen etc. sind, tritt eine reine soziale Beißhemmung nur selten in Kraft. Das dominantere Tier lässt es dann meist mit einer Unterwerfung des anderen auf sich beruhen.

Erkenntnisse im Rudel Mensch-Hund umsetzen

Als Welpenbesitzer sollte man trotzdem auf eine dominante Rolle bestehen und souverän bei zu festem Zwicken das Spiel abbrechen. So erlauben wir unserem Hund eine natürliche Erziehung und Vermittlung von funktionellen Inhalten. Wir heben den Status des Menschen hervor und lassen den Welpen als Reaktion auf sein Zwicken eine wenig sozial-aussagekräftige Nische erfahren.

Der Hund bekommt auf diese Weise gar nicht erst die Möglichkeit, die provokante Aussagekraft dieses Schnappens zu erfahren und für den eigenen Vorteil einsetzen zu lernen. Als weitere Möglichkeit kann man selber kurz und heftig Aufquietschen, in der Hoffnung, das der Welpe sich erschreckt zurücknimmt. Wenn man es über sich bringt und wenn es die Situation zulässt, könnte man noch vor dem Weggehen den Welpen schnell und kurz ins Ohr beißen und danach dann deutlich ignorieren. (Ignorieren bedeutet wirklich: Den Hund komplett links liegen lassen, keine Ansprache, kein Blickkontakt, keine Berührung und auch kein Tadel!). Stellen Sie sich immer ein Bündel von Hundewelpen raufend vor und Ihnen wird schnell klar, dass die kleinen Terroristen untereinander auch nicht erst lange diskutieren, um zu klären, wer sich durchsetzt.

Halten wir uns konsequent an dieses Muster, wird der Kleine schnell ruhiger, denn für ihn verbessert sich seine Situation nicht, wenn er auf uns rumhackt, sondern im Gegenteil, der Spaß ist vorbei. Und das sollten wir uns immer vor Augen halten: Hunde agieren i.d.R. um ihre eigene Situation zu verbessern, gelingt das nicht, ändern sie ihr Verhalten.

Tipp: Bitte rechnen Sie nicht damit, dass sich diese Verhalten innerhalb von ein oder zwei Tagen verändert. Dies ist tatsächlich eine Phase, die einige Zeit (wir sprechen hier nicht von Tagen, sondern eher auch mal Wochen) in Anspruch nimmt. Seien Sie geduldig und konsequent, so wird Ihr Einfluß diese Phase etwas schneller beenden.